Dienstag, 18. Juni 2013

Wiener Schmäh

Sonne, bester Fels und kurze Zustiege... 

...alpine Sportkletterrouten, von Plaisier bis Abenteuer. Jedoch ein Haferl statt Cappuccino.
Die Süd-Ost-Seite der Hohen Wand

Ein Blick in den Dienstplan ließ mein Herz höher schlagen. Da reihten sich doch tatsächlich fünf freie Tage am Stück aneinander. Eine Woche Urlaub, ohne einen Urlaubstag zu nehmen. Es lebe der Schichtdienst. Bleibt nur noch die quälende Frage zu klären: Wohin? Nach Franken? Ne, nicht bei fünf Tagen. Da kann man auch mal ein längeres Wochenende hinfahren. Nach Arco? Wahrscheinlich schon viel zu heiß im Juni! Aber war da nicht neulich in der "Klettern" ein Artikel über das Hausgebiet der Wiener Kletterer? "Hohe Wand", so der Name des Gebietes bei Wiener Neustadt, ca. 50km südlich von Wien. Die übliche Recherchemaschienerie wurde angeworfen, Artikel gewälzt, Internetseiten durchforstet, und Topos von infrage kommenden Touren ausgedruckt. Und mit jedem verschlungenen Wort, mit jedem betrachteten Foto, mit jeder studierten und im Geiste schon gekletterten Tour erschien die Hohe Wand in einem noch schöneren Glanze. Es führte also kein Weg mehr an  "Traum und Wirklichkeit", "Die wüde Posteline", "Osterhasi", "Tirolersteig Mixtüre" und vielen Routen mehr vorbei.

Nach einer Hitzeschlacht auf der A3, die uns quer durch die deutsche und anschließend auf der A1, die uns dann noch quer durch die österreichische Republik führte erreichten wir dass angepriesene gelobte Land, den "Naturpark Hohe Wand" in der Dämmerung. Nichts desto trotz musste der obligate Gang zur Wand und zum Einstieg der von uns für den kommeden Tag auserkorenen "Osterhasi" (6 SL/ 7-) noch erfolgen. 

Die Toposkizze und ein inzwischen dem Siedepunkt nahes Ankunfsbier in den Rucksack geworfen, hasteten wir den zwar in der Tat kurzen aber dafür umso steileren Zustieg zur Wand hoch. Natürlich gab es im fast dunklen nicht wirklich viel mehr als die ersten der 160 Meter zu sehen, trotzdem tat es gut endlich draussen zu sein und sich auf den kommenden Klettertag zu freuen. 

Saubere Toiletten, und kaltes Wasser für die Bierkühlung

Knapp unterhalb des Parkplatz der Hohen Wand, befindet sich eine Zeltwiese mit deren Einrichtung die Gemeinde Meiersdorf den Auswüchsen des wild Campens entgegenzusteuern suchte.Für das nächtigen im Zelt oder Bully und für die Nutzung wirklich sauberer und gut gepflegter Sanitäreinrichtung, wirft man Anmeldung samt zu entrichtender Gebühr (12,-Euro pro Nacht für ein Zelt oder Bully) in einen Briefkasten und wird wie wir am kommenden Morgen mit einem herrlichen Blick auf die gesamte Süd-Ost- Wand entlohnt. Entsprechend ungeduldig drückten wir uns das Frühstücksmüsli rein, während wir die Wand immer wieder nach unserer Linie absuchten. Und so dauerte es auch nicht mehr lang, bis wir gerüstet am Einstieg standen. 

 Auch wenn für meinen Geschmack Routennamen wie "Osterhasi" für heroische Bergfahrten irgendwie deplaziert wirken, so gab es in dieser Tour doch so manches glücklich machende Osternest zu suchen und zu finden. 
"Osterhasi" wer vergibt denn solche Routennamen?
In 6 Seillängen gilt es das Totenköpfel, den wohl markantesten Pfeiler der Süd-Ost-Wand zu ersteigen. Den Totenköpfelsteig im sechsten Grad immer wieder kreuzend sucht sich die Tour einen ziemlich direkten und immer logischen Weg zum Gipfel. Schon in der ersten Länge wartet eine kraftvolle und ausgesprochen schöne Kletterstelle über ein Baucherl, welches den potentiellen Wiederholern auf das einstimmt, was da noch wartet. Auch die nächsten drei Eappen halten immer wieder schönste Kletterei auf mal plattig und mal leicht überhängendem festen Fels bereit. Wer am vierten Stand angekommen sein Limit schon erreicht oder gar überschritten sieht, kann sich nun über den Handlerausstieg zum Gipfelplateau arbeiten. Wer jedoch noch genügend Reserven hat, der macht sich nun an die Crux-Seillänge. Wir dachten wir hätten sie. 


Wahrscheinlich die "Must take a picture" Stelle
Schon nach wenigen Metern  finde ich mich jedoch an zwei guten Seitgriffen wieder, suche aber auf dem sonst so gut wie Strukturlosen Fels vergeblich nach einer Kante oder einer kleinen Dulle welche meine viel zu großen Alpinpuschen beherbergen wollen. Da sonnenbeschienener Kalkfelsen nicht gerade für seine Reibungseigenschafften berühmt ist, werde ich ob des weit entfernt aussehenden Zielgriffes am unteren Ende eines Risses und ob des rasch ansteigenden Laktatpegels in meiner Fingerbeugemuskulatur zunehmend nervöser. Es galt zu handeln. Und so wurden die Füße auf dem Nichts geparkt und nicht schön aber funtionabel mit aller Kraft an dem linken der beiden Seitgriffe gezerrt, bis ich mit der rechten Hand an den erwünschten Griff kam. Das sich in solchen Situationen  die vermeintlich rettende Kelle immer als schlechter Aufleger herausstellt, brauche ich wohl nicht extra erwähnen, und so ging der Kampf Zentimeter für Zentimeter weiter. Piazen hier, klemmen da, dann mal ein schlechtes Leistchen blockieren und das alles mit betonartigen Unterarmen, Tränen in den Augen und natürlich begleitet von dezentem Gefluche und dem riesigen Wunsch bei einem eiskalten Radler vor einem zünftigen Gasthaus zu sitzen, anstatt sich hier in sengender Hitze abzurackern. Bevor die zweite 7- Stelle auf mich wartete, gab es zumindest eine einigermassen gute Schüttelstelle, welche meinen Armen eine kleine Erholung gönnten. Eigentlich galt es folgend nur zwei Meter auf der Platte nach links zu traversieren, um einen wunderschönen Riss im sechsten Grad zum Stand auszuklettern. Aber dieses "nur" gestaltete sich ob meines schon stark angegriffenen Nervenkostüms, meiner in den Kletterschuhen aufs Maximum angeschwollenen Füße und ob des nicht mehr zu beherrschenden Tremors, der meinen Gliedmaßen in eine orginal Singernähmschiene im Turbogang verwandelte, zu einem riesigen Hindernis. Nach diversen Anläufen, welche wieder am Schüttelgriff endeten zog ich dann doch noch beherzt durch, gelangte zu besagtem Riss und zitterte auch diesen hoch. Nach entsprechender Erholung, war die letzte Länge für uns wieder reine Genusskletterei. Eine traumhafte Rissverschneidung führte zu einem großgriffigen Abschlußüberhang, welcher der Tour ein fuminanteres Finale nicht bescheren konnte.

Da der Gipfel in diesem Fall kein Gipfel, sondern das Hochplateau des "Naturpark Hohe Wand" und somit touristisch gut erschlossen war, wurde uns bewusst, dass das ersehnte Radler in greifbare Nähe gerückt war, und so machten wir vor dem gemütlichen Abstieg über den "Völlerinsteig" eine kurze Einkehr im Gasthof "Postl" und stellten wiedereinmal fest, dass ein kaltes Radler köstlicher kaum schmecken kann, als nach solch einer Schinderei!


Von oben, von unten, von links, von rechts...
Am folgenden Tag kletterten wir die Route "Wüde Posteline" (8SL/ 6). Sie verläuft an einem der vielen etwas gestufteren Wandbereiche. Daher gibt es zwischendrin immer wieder leichtere Schrofenpassagen, oder gar Gehgelände. Wem dies nichts 
...von überall kommen sie angesegelt.
ausmacht, den erwartet trotzdem eine unterhaltsame Tour. Mit 265m Kletterlänge handelt es sich um eine wesentlich längere Tour als die "Osterhasi", dafür gibt es allerdings auch wesentlich weniger Kletterhighlights zu erleben. Die Cruxlänge erlangt ihren Anspruch insbesondere durch den splittrigen und nicht sehr fest wirkenden Fels, an dem man in der leicht überhängenden Wand aber trotzdem gehörig ziehen muss, um die Stelle zu lösen. Weiter oben klettert man über eine sehr schöne Blockkante, von der aus man eine fantastische Sicht auf die Paraglider hat, welche ständig über, neben und unter einem vorbeisegeln. Und man denkt insgeheim:"Spätesten, wenn wir den freudigen Abstieg und ihr den lästigen Aufstieg über die "Völlerin" nehmt, sieht man sich wieder."

Steinböcke und Paraglider- die Hindernisse beim Abstieg


Nach einem Tag Autobahn, zwei tollen, aber anstregenden, weil sehr heißen und schwülen Klettertagen an der Hohen Wand, wird es nun Zeit sich dem Charme des Wiener Lebens hinzugeben und der Kletter- gegen den Städteführer einzutauschen, sich mit Eispalatschinken und Ottakringer Bier für die vergangenen (und noch bevorstehenden) Strapazen zu entschädigen und ein wenig in die Ära Sissi und Franz´l einzutauchen.


Fäkts:

Allgemeines:

Wer aus dem Rheinland 900km abreißen möchte um alpine Sportkletterrouten mit geringerem Wetterisiko, geringeren Zustiegen und gemütlicheren Abstiegen, als es die hohen Alpen zu bieten haben, zu finden, der muss nicht mehr nach Arco fahren.
Das Radler ist nimmer weid!
Auch die Hohe Wand bietet eine Menge Klettereien, verschiedener Schwierigkeiten von Plasiermässiger bis abenteuerlicher Absicherung. Natürlich ist das Wandangebot begrenzt, dafür jedoch umso fleißiger erschloßen. Dies macht den Vebleib in der erwählten Tour nicht immer ganz einfach, da man an jeder beliebigen Stelle potentiell falsch abbiegen kann. Viele Wandbereiche sind gestuft und beinhalten schotterige und schrofige Seillängen. Auch durch Gämsen ausgelöster Steinschlag stellt ein Problem dar.



 Nächtigen:

Zeltplatz "Hohe Wand Blick" am Fuße der Süd-Ost-Wand. Herrlicher Blick, saubere Toiletten und eiskaltes Kranwasser, welches die Bierkühlung ermöglicht überzeugen. Für den dickeren Geldbeutel läßt sic sicherlich ein nettes Fremdenzimmer in den umliegenden Gasthöfen finden.



Recherche und Topographie:

"Führer auf die Hohe Wand- 750 Anstiege auf die Hohe Wand" von Thomas Behm;
 
Topos bei Bergsteigen.at;

Magazin "Klettern" Feb-März 2013;


http://www.naturpark-hohewand.at/.


 


 

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